Vorwort

Vorwort

Warum sollte man sich als Historiker:in mit Programmiersprachen auseinandersetzen und lernen, Code in Python zu schreiben? Reicht es nicht aus, sich das passende digitale Tool zu suchen und die anstehenden Aufgaben mit wenigen Mausklicks zu erledigen? Und wenn es das benötigte Tool jetzt noch nicht gibt, dann doch sicherlich später irgendwann? Und überhaupt, liegt das Schreiben von Programmiercode nicht viel zu weit weg von dem, was wir als Historiker:innen machen?

Die kurze Antwort auf all diese Fragen ist ein klares “Nein”. Die Welt um uns herum verändert sich, die Grundlagen unserer Arbeit verändern sich, und damit müssen auch wir uns verändern – so wie wir es als Historiker:innen auch schon immer getan haben.

Wenn unsere Quellen in immer größerer Zahl als Daten bereitstehen, sei es als retrodigitalisierte Handschriften und Akten, als digitale Editionen historiographischer Werke und Urkundensammlungen oder auch als genuin digitale Quellen aus den sozialen Medien, oder auch als offizielle Pressemitteilungen, Zeitungsartikel, Bundestagsprotokolle und digitale Akten sowie als Datenleaks wie bei #Cablegate oder den #WarDiaries – dann ist es als Historiker:innen unsere Aufgabe, die uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um diese Quellen methodisch reflektiert zu bearbeiten und unsere Kenntnis vergangener Kulturen und Gesellschaften zu erweitern. Und wenn uns als Historiker:innen diese Quellen nunmal als Daten vorliegen, dann müssen wir eben auch selbst lernen, diese als Daten zu bearbeiten und zu analysieren. Das sind Aufgaben, die wir nicht einfach an andere Fachdisziplinen auslagern können, die unsere genuin historischen Perspektiven auf die Quellen nicht kennen und die nicht sehen, was wir als Historiker:innen in diesen Quellen sehen können.

Dabei genügt schon vergleichsweise wenig, um viel zu erreichen. Sobald man ein Grundverständnis dafür entwickelt hat, wie codebasiertes Arbeiten funktioniert, lassen sich ganz neue Wege gestalten, um geschichtswissenschaftliche Daten zu entdecken, zu erkunden und zu verstehen. Dann lassen sich uns bislang verschlossene Methoden anwenden, um sinnvolle Orientierung in der Fülle von Informationen zu schaffen und neue Perspektiven auf unseren historischen Gegenstand zu gewinnen, die uns bislang verwehrt blieben.

Oder anders ausgedrückt: Natürlich kann man versuchen, alles über Programme und Tools mit vorgefertigten Benutzeroberflächen zu erledigen, so wie man versuchen kann, sein Fahrrad mit einem mitgelieferten Mehrzweck-Fahrrad-Schraubenschlüssel zu reparieren. Das Ganze funktioniert auch, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt: Wenn das Problem komplizierter und auch individueller wird, dann braucht es einen ordentlichen Werkzeugkoffer – oder eben den Zugang zu den verschiedenen Bibliotheken und Modulen, die uns in Python schon gebrauchsfertig zur Verfügung stehen. Sie ermöglichen es uns, deutlich schneller und präziser das zu tun, was wir tun möchten. Nur brauchen wir dazu die grundlegenden Kenntnisse, um diese neuen Werkzeuge auch richtig bedienen zu können.

Genau diese Grundlagen will dieses interaktive JupyterBook vermitteln. Es basiert auf den verschiedenen Kursen und Einführungen zu Python, die wir in Münster und Berlin, in Paderborn und an anderen Stellen der Republik durchgeführt haben. Die dafür ausgearbeiteten Materialien haben wir hier gesammelt und stellen sie – entsprechend weiterentwickelt – als Selbstlernkurse und Material für die Lehre zur allgemeinen Verwendung bereit. Ganz besonderer Dank gilt dabei Melanie Althage, Philipp Schneider und Martin Dröge, die den Löwenanteil der Arbeit geleistet haben!

Ich hoffe, dass die hier zusammengetragenen und aufbereiteten Jupyter Notebooks dazu beitragen, dass wir als Historiker:innen eine noch größere Souveränität über die von uns zu analysierenden Daten und die dafür notwendigen Methoden erlangen und durch die Vermittlung und Bereitstellung der dafür genutzten Codes unser historisches Arbeiten noch transparenter und effizienter gestalten können. Vor allem wünsche ich allen viel Spaß bei der Nutzung der Notebooks und beim Erlernen von Python!

Torsten Hiltmann

Berlin, 27.06.2022